Haushüten ist nicht immer ein Zuckerlecken. Aber meist macht es doch viel Freude, als „Gast des Hauses“ für nette Kunden in gepflegter Umgebung Anwesen, Häuser und Wohnungen zu betreuen.
Nette Menschen haben in der Regel auch liebe Haustiere – meist Hunde oder Katzen – die uns das Leben in fremder Umgebung bereichern und eine willkommene Abwechslung vom gewohnten Alltag im Ruhestand darstellen.
Immer wieder freuen wir uns darüber, wie schnell die daheimgelassenen Tiere zutraulich werden und ganz offensichtlich den Abschiedsschmerz von Frauchen und Herrchen überwunden haben. Tiere können sich nicht verstellen. Es ist echte Zuneigung die uns Haushüter-Senioren hier widerfährt.
Kein Wunder, wir Homesitter sind nicht dem Berufsstress ausgesetzt und haben viel Zeit, um uns um die Bedürfnisse und Vorlieben der anvertrauten Lieblinge zu kümmern.
Manchmal hat man auch das Glück, besonders interessante und selbst auserlesene Objekte dazu noch in herausragend schöner Umgebung zu betreuen.
Wer fährt schon im Herbst an die Nordsee?
Wir hatten Regen, Wind und auch Sturm befürchtet und wurden bereits bei unserer Ankunft in Emden angenehm überrascht. Nach sieben Stunden Bahnfahrt ab Garmisch-Partenkirchen begrüßte uns ein klarer Sternenhimmel und eine für diese Jahreszeit angenehm milde Temperatur.
Unser Auftraggeber hatte es sich nicht nehmen lassen uns am Bahnhof abzuholen und vorbei an malerisch schönen Dörfer an die ostfriesische Nordseeküste zu seinem Anwesen nach Greetsiel zu fahren.
Das fing ja schon mal gut an.
Aber es wurde noch besser. Nachdem wir uns bei einem (können auch einige) frisch gezapften Gläsern Pils näher bekannt gemacht hatten, wurden nochmals die zu übernehmenden Aufgaben besprochen und das Anwesen besichtigt.
Wir hatten in unserer mittlerweile 15 jährigen Erfahrung mit Haussitting selten so ein so rundum geschmackvolles und gemütliches Domizil betreut. Am liebsten hätten wir spontan unsere Rückreise storniert. Und das obwohl wir Greetsiel mit Umland noch nicht näher besichtigt hatten.,
Leider können wir hier auf Grund der gebotenen Diskretion keine Bilder über das Anwesen und die freundlichen Auftraggeber veröffentlichen.
Über Greetsiel und seine Sehenswürdigkeiten finden sie viele professionelle Fotos und Informationen im Internet, so dass wir uns hier nur auf einige persönliche Eindrücke beschränkt haben.
Als geschwätzig sind die Ostfriesen ja nicht gerade bekannt. Der Herr neben mir auf der Bank bestätigte diese Eigenheit sehr überzeugend. Doch die vielen Einheimischen, die wir sonst noch trafen, waren durchaus nett und auskunftsfreudig.
Noch was: Plattdeutsch ist gar nicht so schwer zu verstehen.
Am besten begleitet man so einen Seebären in die nächste Kneipe und genießt die einheimischen traditionellen Getränke, zum Beispiel ein frisch gezapftes Glas Ostfriesen Bräu und damit es nicht so staubt, spült man das Ganze mit einem lüttjen Schnaps nach. Das ist schon mal eine guter Start.
Auf einem Bein steht sich´s nicht gut, deshalb nochmal das gleiche ex und hopp.
Dann sollte man unbedingt was warmes essen, z.B. eine Biersopp.
In Ostfriesland wird traditionell Biersopp zubereitet, eine Süßspeise aus Braun- oder Weißbier, die mit Sago gebunden wird.
Weiter geht’s mit einem steifen Grog
Grog ist neben Tee ein weiteres „Nationalgetränk“ an der ostfriesischen Küste. Frei nach dem Motto „Rum muss, Zucker kann und Wasser braucht nicht“…
Wer keinen Rum mag, kann auch gerne ein Glas Karsenbrannwien probieren
Das ostfriesische Wort für Kirschen ist „Karsen“. Für einen Karsenbrannwien werden Kirschen und Kluntjes (Kandis) in ein Gefäß gefüllt und anschließend mit dem typischen „Ostfreeske Brannwien“ aufgegossen.
Oder im Winter vorbeugend gegen Erkältung Orangenpunsch einnehmen.
Es ist ein traditionell ostfriesisches Wintergetränk zum Aufwärmen. Hierfür werden Orangensaft, Wasser und Tee sowie Rum und Rosinen aufgekocht und heiß serviert.
Dann heißt es aber raus an die frische Luft! Am besten in den Fischereihafen. Wobei Haltung ( oder besser bella figura) für ein Badisch/Bayerisches gestandenes Mannsbild hier selbstverständlich ist. Selbst wenn die ungewohnte Biersopp Süßspeise den Gleichgewichtssinn doch etwas beeinträchtigt.
Aber zurück zur an die Eingangs gestellte Frage: wer fährt schon im Herbst an die Nordsee?
Um es kurz zu machen: Meine Frau und Ich jederzeit wieder, auch im Winter. Dieser Meinung sind wir sicher nicht alleine. Die gute saubere Meeresluft, die himmlische Ruhe, die schöne Landschaft und Menschen, denen Stress und hektische Betriebsamkeit weitgehend unbekannt sind, garantieren Erholung und Regeneration.
Nicht zuletzt tragen gepflegte Unterkünfte in jeder Preisklasse und eine vorbildliche Gastronomie zur Zufriedenheit der Gäste und Besucher bei. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit sind ausreichend Kaffees, Restaurants, Gasthäuser und selbst Imbissbuden geöffnet und mit ihren attraktiven Angeboten an unter anderem Fische und Krustentiere in ausreichen der Anzahl vertreten.
Schließlich muss es ja nicht immer Biersopp sein.
Hans-Peter Reiss